Seit über 15 Monaten wirkt die Corona-Pandemie stark in alle gesell­schaft­li­chen Bereiche hinein und bestimmt sie teilweise sogar. Viele Aspekte unseres Zusam­men­le­bens müssen nun völlig neu bewertet werden, die Menschen mussten ihr Verhalten und ihre Lebens­weise zum Teil drama­tisch ändern. Auch Immobilien und das Immobi­li­en­recht bleiben nicht von den Entwick­lungen im Zuge der Corona-Krise unberührt und erfahren teils drasti­sche Auswir­kungen. Das zeigt sich auch anhand von neuen Urteilen in der Recht­spre­chung. Auch bisher alltäg­liche Vorgänge wie ein Kamin­keh­rer­be­such können plötz­lich ein erstaun­lich großes Problem sein.

Corona — Rechtsprechung noch in der Entwicklung

Für all die aktuellen Urteile ist dabei zu berück­sich­tigen, dass sich die Recht­spre­chung zu diesem Thema noch entwickelt und zu vielen Urteilen das letzte Wort noch nicht gespro­chen ist. Denn in vielen Fallkon­stel­la­tionen stehen noch höchst­rich­ter­liche Entschei­dungen aus. Die Auswir­kungen von Corona auf den Immobi­li­en­sektor und das Immobi­li­en­recht sind daher auch noch nicht in Gänze überschaubar. Werfen wir einen Blick auf einige aktuelle Entwicklungen:


Immobilienseminar

Sie inter­es­sieren sich für Kapital­an­lagen in Immobilien?

Dann nehmen Sie teil an unserem Immobi­li­en­se­minar in München. Erhalten Sie Spezi­al­wissen, das Sie so nicht jeden Tag hören.


Eigentümerversammlungen

Teilnehmerzahl darf nicht begrenzt werden

Ein Bereich auf den die Corona-Pandemie große Auswir­kungen hat, sind Eigen­tü­mer­ver­samm­lungen. Denn üblicher­weise kommt bei diesen Versamm­lungen eine größere Anzahl von Personen zusammen. Aufgrund der Corona-Regelungen liegt es nahe, die Zahl der Teilnehmer zu begrenzen. Doch, wie das Amtsge­richt Kassel entschied, darf die Teilneh­mer­zahl nicht bereits im Vorfeld auf weniger als die Mitglieder plus den Verwalter einge­schränkt werden. Es müssen auch weiterhin ohne Beschrän­kungen alle Teilnehmer einge­laden werden. Hält sich die Verwal­tung nicht daran, sind die in dieser Versamm­lung gefassten Beschlüsse ungültig (AZ 800 C 2563/20).

Benennung von Vertretern als mögliche Lösung

Eine Grund­regel der Pande­mie­be­kämp­fung, nämlich dass sich möglichst wenige Menschen zusammen in geschlos­senen Räumen aufhalten sollen, steht durch die Begren­zung der Teilneh­mer­zahl in Wider­spruch zu einem origi­nären Prinzip von Versamm­lungen, denn grund­sätz­lich sollten alle Mitglieder teilnehmen können. Wie aus dem vorher­ge­henden Urteil hervor­geht, darf die Zahl der Teilneh­mer­zahl deshalb auch in Corona-Zeiten nie beschränkt werden. Einen Ausweg in der aktuellen Situa­tion bietet unter Umständen ein Urteil des Landge­richts Frank­furt am Main, das es Verwal­tern gestattet, Vertre­tungs­lö­sungen unter den Eigen­tü­mern zu bewerben. Damit könne in gegen­sei­tigem Einver­nehmen die Teilneh­mer­zahl einge­schränkt werden.

Größe des Versammlungsraums

Ebenfalls muss der Versamm­lungs­raum minde­stens für eine Anzahl von Teilneh­mern geeignet sein, die üblicher­weise zu erwarten ist. Das Amtsge­richt Dortmund verhan­delte in diesem Zusam­men­hang einen Fall, bei dem ein Verwalter einen Saal mit 100 m² Fläche bereit­ge­stellt hatte, in den vorher­ge­henden drei Jahren waren stets minde­stens 19 Personen auf der Versamm­lung anwesend. Laut der geltenden Covid-19-Verord­nung waren aller­dings höchstens 7 Personen für einen Saal dieser Größe zulässig. Daher stufte das Amtsge­richt Dortmund die Wahl des Ortes als einen Ermes­sens­fehler ein. Die Beschlüsse der Eigentümer­versammlung hätten auch dann als ungültig erklärt werden können, wenn es wirklich nur sieben Teilnehmer gegeben hätte. Denn zum Zeitpunkt der Einla­dung war der Raum für die mögliche Teilneh­mer­zahl ungeeignet.

Anspruch auf Absage der Versammlung während einer Pandemie

Prinzi­piell sollte eine Eigentümer­versammlung gar nicht erst anberaumt werden, wenn es aufgrund der Pandemie ein behörd­li­ches Versamm­lungs­verbot gibt. Die Anberaumung selbst wäre eine Fehlent­schei­dung, ebenso können daraus auch zusätz­liche Kosten, z. B. für die Saalmiete oder Porto etc. entstehen. Das Amtsge­richt München stellte folglich fest, dass es für den Fall, dass eine Eigentümer­versammlung während eines pande­mie­be­dingten Versamm­lungs­ver­bots angesetzt wird, einen Anspruch auf die Absage der Versamm­lung gebe. Im verhan­delten Fall enthielt die Einla­dung ebenfalls die Formu­lie­rung „sollten nicht mehr als 2 bis 5 Teilnehmer dabei sein“. Da diese Beschrän­kung mehr als die Hälfte der Eigen­tümer ausge­schlossen hätte, sah das Gericht darin eine Möglich­keit, „einen psychi­schen Zwang, bei den einzelnen Wohnungs­ei­gen­tü­mern auszu­lösen, der sie von der Wahrneh­mung ihrer Kernrechte abhält“ (AZ 1291 C 2946/21).

Schornsteinfeger dürfen nicht abgewiesen werden

Um sich nicht der Gefahr eines erhöhten Infek­ti­ons­ri­sikos auszu­setzen, würden manche Menschen es bevor­zugen, niemanden in ihr Haus oder ihre Wohnung zu lassen. Aller­dings haben solche Vorsichts­maß­nahmen auch Grenzen. Das Verwal­tungs­ge­richt Hannover urteilte beispiels­weise, dass die Auswir­kungen von Corona derar­tige Maßnahmen nicht recht­fer­tigen würden und Schorn­stein­feger grund­sätz­lich Zugang zum Gebäude erhalten müssen, da deren Arbeit aus Brand­schutz­gründen unver­zichtbar sei (AZ 13 A 4340/20).

Hintertüre für den Besuch von Fitnessstudios

Seit Monaten haben Mitglieder von Fitness­stu­dios keinen Zugang mehr zu ihren Sport­ein­rich­tungen, da die Behörden das Infek­ti­ons­ri­siko für zu hoch halten. Das Verwal­tungs­ge­richt Hannover öffnet in einem Urteil aller­dings eine mögliche Türe: Werden die Räumlich­keiten eines Fitness­stu­dios stunden­weise an Einzel­per­sonen oder Einzel­haus­halte vermietet, handelt es sich laut Gericht nicht mehr im klassi­schen Sinn um ein Fitness­studio. Ein Zugang wäre unter diesen Voraus­set­zungen also wieder möglich (AZ 15 B 343/21).