Ein Jahrzehnt der Immobilie
Das eben abgelaufene Jahrzehnt wird künftig in den Geschichtsbüchern zurecht als das „Jahrzehnt der Immobilie“ geführt werden. Bis 2019 entwickelte sich der Investmentmarkt positiv, gegen Ende des Jahres folgte dann nochmals ein fabelhaftes Feuerwerk an Abschlüssen, das so und in dieser Dynamik wohl kaum zu erwarten war. Im Rückblick offenbart der Markt nun schon seit 10 Jahren einen pausenlosen Aufschwung. Selbst die immer gegenwärtigen Risiken konnten dem „Run“ auf deutsche Immobilien nichts anhaben. Geopolitische Konflikte, der globale Handelsstreit, der Brexit, Krieg, Terror und Flucht sind bittere Realitäten. Dennoch konnten zwischenzeitliche kleine positive Signale auch einen beachtenswerten Motivationseffekt auslösen, sodass einige zunächst ungewisse Investitionsprozesse schließlich doch ins Laufen kamen.
Timo Tschammler, CEO bei der JLL Germany, kommentiert dazu: „Auf Basis des manifestierten Niedrigzinsniveaus erscheint die Immobilie als Anlageprodukt für institutionelle Investoren nahezu alternativlos. Und immer mehr Anleger aus dem In- und Ausland schichten sukzessive ihre Bestände um und erhöhen ihre Immobilienquoten.”
In den kommenden fünf Jahren werden deutsche Staatsanleihen mit einem Volumen von mehr als 800 Milliarden Euro auslaufen. Diese müssen dann wieder neu angelegt werden. Bisher werden diese Staatsanleihen zu einem Zinssatz von rund 3 % verzinst. Damit liegt die Rendite deutlich höher als bei aktuellen Staatsanleihen. Nach Einschätzung von Experten dürfte ein Teil der auslaufenden Staatsanleihen auch in Immobilien angelegt werden. Damit deutet sich an, dass die Nachfrage nach Immobilien in Deutschland in den kommenden Jahren hoch bleiben wird. Eine aktuelle Umfrage der PwC/ULI zeigt denn auch, dass über die Hälfte der dazu befragten europäischen Investoren in 2020 ihre Immobilienbestände weiter ausbauen wollen. Die Rolle deutscher Immobilien wird dabei zentral sein. “Deutschland hat aufgrund seiner föderalen Struktur und der nach wie vor vorhandenen wirtschaftlichen und politischen Stabilität gute Voraussetzungen, um auch in diesem Jahr weit oben auf der Einkaufsliste internationaler und einheimischer Investoren zu stehen”, unterstreicht Timo Tschammler.
2019 – Höchstes Transaktionsvolumen* aller Zeiten
Der deutsche Investmentmarkt beging das Jahresende mit einem neuen Rekordergebnis. Das vierte Quartal alleine überragte mit 34 Milliarden Euro die Quartale aller vorhergehenden Vorjahre (bislang lag der Rekord im 4. Quartal 2016 mit 26,5 Milliarden Euro). 73 Transaktionen im dreistelligen Millionen Euro-Bereich oder sogar im Milliardenbereich wurden alleine im letzten Quartal abgeschlossen. Im Gesamtjahr 2019 gab es damit insgesamt 187 Transaktionen über der 100 Millionen Euro-Marke. Inklusive Living lag das Transaktionsvolumen bei fulminanten 91,3 Milliarden Euro.
Am Ende des dritten Quartals lag das Transaktionsvolumen noch auf Höhe des Vorjahres. Gegenüber 2018 kann zum Ende des vierten Quartals aber ein noch ein deutliches Plus von rund 16 % verbucht werden. “Dass so viele Transaktionen noch kurz vor Toresschluss über die Ziellinie getragen wurden, war in dieser Menge nicht zu erwarten und führte im Ergebnis dazu, dass unsere Prognose deutlich übertroffen wurde. Und die schiere Menge an Transaktionen scheint auf den ersten Blick auch die These zu widerlegen, dass es kein adäquates Angebot an Immobilien gibt und dass die sogenannte ‘Wall of Money’ gar nicht befriedigt werden könne”, sagt Timo Tschammler. Einen eklatanten Angebotsmangel sieht der Experte grundsätzlich weiter als gegeben an, so entfielen mit rund 23 Milliarden Euro ca. ein Viertel des Gesamtvolumens auf diejenigen 21 Transaktionen mit besonders großem Volumen über 500 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um eine außerordentliche Ballung der Nachfrage. Das zeigt auch, dass Investitionen über den Kapitalmarkt neben direkten Investitionen zunehmende Bedeutung gewinnen. Auf indirekte Investitionen entfielen etwa 12 Milliarden Euro. Unternehmensbeteiligungen beispielsweise, Übernahmen oder auch der Kauf von Aktienpaketen sind eine interessante Alternative für diejenigen, die sich in Zeiten mit knappem Angebot Immobilieneigentum sichern wollen.
Die Transaktionsliste wurde angeführt vom Verkauf der Immobilien des kanadischen Immobilieninvestors Dream Global an das US-amerikanische Investmentmanagement-Unternehmen Blackstone. Der Wert der daran beteiligten deutschen Immobilien liegt bei ca. 3,2 Milliarden Euro. Alle Einzeltransaktionen zusammen (56,2 Milliarden Euro) machen übrigens 62 % des gesamten Transaktionsvolumens aus. Zugenommen haben übrigens auch Portfolioverkäufe, die ebenfalls durch die genannten Unternehmensübernahmen gepusht wurden. Hier erreicht das Jahresergebnis etwa 35 Milliarden Euro, 24 % mehr als noch im Jahr zuvor.
Büroimmobilien nachfragestärkste Assetklasse, Beliebtheit von Alternativen nimmt aber zu
2019 dominierten Büro- und Wohnimmobilien den deutschen Investmentmarkt. Ca. 40 % des gesamten Transaktionsvolumens verteilten sich in die Assetklasse Büro, 24 % in die Assetklasse Living. Die immer Suche nach renditestarken Immobilien wird allerdings immer herausfordernder. Daher spielen auch alternative Assetklassen wie Gesundheits- und Pflegeimmobilien eine immer größere Rolle.
Daneben kommen einzelhandesgenutzte Immobilien lediglich noch auf einen Anteil von 12 % — historisch niedrig. Shopping-Center-Transaktionen mit großem Volumen kommen immer seltener vor. Allerdings sind Fachmarktprodukte immer noch bei Investoren gefragt, vor allem wenn sie Lebensmittelabteilungen enthalten. Im Großen und Ganzen werden Einzelhandelsimmobilien allerdings nach wie vor kritisch eingestuft.
Der Anteil von Logistikhallen liegt bei etwa 7 %. Da der E‑Commerce-Bereich aber eine hohe Dynamik aufweist, sollte dieser Anteil eigentlich höher liegen. Grundsätzlich fehlt es hier an Neubauten und damit schlicht an Investitionsmöglichkeiten.
Die Beliebtheit mischgenutzte Immobilien, bei denen keine Assetklasse stark überwiegt, nimmt indes zu, der Anteil am Transaktionsvolumen beträgt hier etwa 10 %. Immobilienprofis sehen hier Vorteile für Immobilienobjekte, wenn sie die zunehmende Verzahnung von Leben, Arbeit und Freizeit unterstützen, denn das hilft auch den Investoren bei der Diversifikation.
Transaktionsvolumen zeigt in den Big 7 Deutschlands gemischtes Bild – München erreicht 65 % Plus
Der Kapitaldruck der Investoren ist enorm. So überrascht es auch nicht, dass das Gros des Transaktionsvolumens nach wie vor auf die Big 7 entfällt. 52,6 Milliarden des Gesamtvolumens werden in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart investiert. Das sind 14 % mehr als 2018. Die Kapitalsumme entspricht 58 % des gesamten Kapitals, das in deutsche Immobilien investiert wurde. Der Prozentwert entspricht im Durchschnitt in etwa demjenigen der letzten fünf Jahre. Die besondere Bedeutung der deutschen Metropolen als Zielgebiet für Investmentkapital – national und unternational – zeigt sich hier deutlich. Auf der anderen Seite muss die sehr unterschiedliche Performance der Big 7 ebenfalls klar herausgestellt werden. Klarer Spitzenreiter ist Berlin mit 15,8 Milliarden und 46 % Plus gegenüber 2018. 30 % des Kapitals, das in die Big 7 investiert wurde, entfällt damit alleine auf die Hauptstadt. 10,9 Milliarden gehen nach München mit einem Anstieg von 65 %, 10 Milliarden gehen nach Frankfurt, das allerdings gegenüber 2018 rund 14 % verliert. Weitere Hochburgen mussten ebenfalls einen Rückgang des Volumens hinnehmen. In Hamburg war dieser mit 24 % besonders deutlich. Dass sich die Investitionen zunehmend auf Berlin, München oder Frankfurt konzentrieren ist allerdings nachvollziehbar, wenn die Nachfragesituation betrachtet wird. Denn diese nimmt vor allem für großvolumige Objekte zu, und Möglichkeiten bieten sich, was Deutschland betrifft, vor allem in diesen Metropolregionen.
Tatsächlich bieten aber auch Städte, die nicht zu den Big 7 zählen, interessante Gelegenheiten. 2019 flossen immerhin etwa 38,7 Milliarden Euro in weitere Städte, das sind 17 % mehr als im Vergleichsjahr 2018. Natürlich sind hier die Einzelvolumina kleiner, das macht sich hauptsächlich im Bürosegment bemerkbar. Aber auch abseits der Big 7 können solche Investitionen, je nach Investmentstrategie, rentabel sein. Die Entscheidende Variable ist hier, in welchem Ausmaß der jeweilige Markt innovativ und zukunftsfähig ist. Außerhalb der Big 7 gab es die größte Transaktion des Jahres in Erlangen. Die Union Investment kaufte hier ein Bürogebäude von der Siemens Real Estate.
Für die künftige Entwicklung in B‑Städten erwarten Experten in den künftigen Jahren einen moderaten Anstieg. Denn das Produktangebot in den großen Immobilienhochburgen wird aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren kaum zunehmen. Zudem bewegen sich die Kaufpreise dort mittlerweile in Bereichen, die eine Anlage in den Big 7 ausschließt. Allerdings bieten auch mittelgroße Städte attraktive Investitionsmöglichkeiten. Aufgrund seiner föderalen Struktur und mittlerweile vieler „talentstarker“ und innovativer Städte bietet Deutschland ein großes Diversifikationspotenzial. Was die Big 7 betrifft, hier wirkt sogar ein Leerstand nicht mehr abschreckend, denn die Vermietungsmärkte laufen übergreifend noch immer gut. Im Gegenteil bieten sich sogar Möglichkeiten für Mietsteigerungen.
Geringere Rendite bei Büro und Logistikimmobilien – Fachmarktzentren überholen Shopping-Center
Bereits seit geraumer Zeit zeigt sich ein moderater Renditerückgang bei Top-Produkten der transaktionsstärksten Nutzungsart in Bestlagen: Die Spitzenrendite für Büroimmobilien liegt nun bei mittleren 2,93 % in den sieben Hochburgen, das ist nochmals ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorquartal. Im 12 Monatsvergleich sind das 18 Basispunkte weniger. Die JLL Germany hält es für wahrscheinlich, dass sich die höchsten Renditen in diesem Bereich auf diesem Niveau stabilisieren werden.
Für Lagen und Produkte abseits von Top und Core könnte sich auch im nächsten Jahr die Rendite weiter verringern. Damit würde sich auch der Abstand zur Spitzenrendite verringern, der 2019 abhängig von Lage und Objektausstattung zwischen 20 und 140 Basispunkten beträgt.
In den Big 7 sind die Kapitalwerte für Büroimmobilien im Durchschnitt weitergewachsen, in Kombination mit höheren Mieten dürfte der mittlere Anstieg um die 12 % betragen. Für 2020 ist allerdings nur noch ein geringerer Zuwachs im Rahmen von 4 % zu erwarten, da von einer allgemeinen Stabilisierung der Renditen auszugehen ist.
Am stärksten ausgeprägt zeigt sich die Dynamik der Renditen nach wie vor bei Logistikimmobilien. 2019 liegen die Anfangsrenditen bei 3,75 %, diese haben insgesamt weiter nachgegeben. Betrachtet man den Zeitraum seit 2014, so gingen die Renditen seither um über 240 Basispunkte zurück, gegenüber Büroimmobilien ist der Spread mit 82 Punkten so gering wie nie davor. Auch für 2020 ist aufgrund der guten Nachfrage nach Logistikimmobilien und der lockeren Geldpolitik weiter mit einem anhaltenden Abwärtsdruck auf die Renditen zu rechnen.
Aufgrund der starken Renditekompression liegen 2019 die Zuwachsraten für den Kapitalwert bei Logistikimmobilien ebenfalls auf einem Niveau von 12 %. Die Chancen auf weitere positive Zuwachsraten in 2020 stehen gut. Für Einzelhandelsimmobilien ist eine Fortsetzung der Ausdifferenzierung der Renditen ein wahrscheinliches Szenario.
Für Geschäftshäuser in Innenstädten entwickeln sich die Renditen in den Big 7 stabil. Ende 2019 liegt der Durchschnitt wie 2,84 %. Inzwischen sind für Top-Fachmarktzentren mit Nahversorgungscharakter niedriger Renditen akzeptabel (4,2 %) als für Premium-Shopping-Center. Bei Premium-Shopping-Centern zeigte sich seit dem Tiefpunkt zum 3. Quartal 2018 ein Anstieg von 60 Basispunkten. Hier weisen die Indikatoren auf eine Stabilisierung des Aufwärtstrends und der Renditeentwicklung.
* Das Transaktionsvolumen umfasst: Büro‑, Logistik, Einzelhandels- und Industrieimmobilien, Grundstücke, Hotels, Spezialimmobilien, gemischt genutzte Immobilien, die Assetklasse Living mit Mehrfamilienhäusern und Wohnportfolios ab zehn Wohneinheiten und 75 % Wohnnutzung, den Verkauf von Unternehmensanteilen (ohne Börsengänge), Appartmenthäuser, Studentenwohnungen, Senioren- und Pflegeimmobilien sowie Kliniken.