Kurzfristig erlebte Wohneigentum in Deutschland zu Beginn der Corona-Krise einen Dämpfer – nun aber steigen die Preise wieder. Bisher erweisen sich Immobilien als verlässlich und krisenfest. Doch die gegenwärtige Lage ist nicht völlig stabil und kann sich potenziell auch schnell wandeln. Daher sollten Immobilieneigentümer und Kaufinteressenten den Markt und etwaige Bewegungen intensiv im Blick behalten.
Vor gerade mal vier Wochen hat das Marktforschungsinstitut Empirica für den Immobilienmarkt einen dramatischen Preiseinbruch vorhergesagt. Dass diese Prognose schon einen Monat später widerlegt ist, ist tatsächlich überraschend. Laut der Prognose sollten die Preise für Häuser und Wohnungen aufgrund der Corona-Krise um 10 bis 25 % sinken. Denn damals – mittlerweile scheint es schon wie vor einer Ewigkeit – war der Markt wie eingefroren. Die Zahl der Verkaufs- und Vermietinserate war stark abgeflaut, auch die Preise waren mindestens um ein paar Prozentpunkte zurückgegangen.
Gegenwärtig gibt der Immobilienmarkt wieder ein Bild ab, als sei nichts gewesen. Ein Blick auf die Zahlen der einzelnen Bundesländer zeigt: Die Kaufpreise liegen wieder ziemlich auf Vorkrisenniveau. Für ganz Deutschland liegt der Durchschnitt sogar geringfügig über dem Stand von Ende März 2020. Das ist aber nicht alles. Zudem weist einiges darauf hin, dass die Preise in ähnlichem Tempo ansteigen, wie schon zu Beginn des Jahres. Zu diesem Ergebnis kommen mehrere Marktuntersuchungen parallel, eine davon kommt vom Analyseunternehmen F+B. Ebenfalls das Marktgeschehen insgesamt hat sich demzufolge belebt, das Angebotsvolumen zeigt allenthalben wieder Wachstum. Der bisherige Immobilienboom in Deutschland ist also nicht abgesagt, die Zeichen deuten auf einen weiteren Anstieg der Marktdynamik und der Preise.
In Zeiten von Corona – so scheint es jedenfalls – haben so manche Gewissheiten nur eine kurze Lebensdauer. Das gilt für wissenschaftliche und politische Aussagen, derzeit aber auch für den Immobilienmarkt. Denn anscheinend haben zahlreiche Verkäufer einfach mal nur ein paar Wochen abgewartet, bis sich „der Nebel etwas gelichtet“ hat und der Markt wieder normalisierte und wieder bessere Preise erzielbar waren. Auf der anderen Seite könnte es natürlich auch wieder einen Rückschlag gegen. Zum Beispiel dann, wenn sich zeigt, dass der wirtschaftliche Abschwung mit größerer Wucht auf den Arbeitsmarkt und die Einkommen durchschlägt.
Ebenfalls vor einigen Wochen schrieb die „Welt am Sonntag“ über einen möglichen Preiseinbruch. Zwar nicht in dem Umfang wie ihn Empirica vorhergesagt hatte, eher zwischen 0 und 12 % bis Jahresende. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bewegt sich mit seiner Schätzung in diesem Rahmen. Tatsächlich ist es auch weiterhin nicht ausgeschlossen, dass es noch so kommt.
Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft, Universität Regensburg, resümiert dazu, dass viele Marktakteure vorerst einfach ihre Meinung dazu geändert hätten. Aktuell stehe vor allem die Stabilität des deutschen Wohnungsmarktes als Assetklasse im Vordergrund. Auf der Nutzerseite seien Wohnimmobilien in Deutschland deutlich weniger betroffen sein als Gewerbeimmobilien. Denn, wohnen muss man immer, dagegen können Läden und Büros schließen. Dennoch sieht Thomas Just Gewerbeimmobilien in Deutschland weniger betroffen als in Südeuropa, Großbritannien oder den USA. Und weil das so sei, werde Kapital seinen Weg in die deutschen Immobilienmärkte suchen.
Die Rolle des sicheren Hafens für Anleger von überall auf der Welt könnte gegenwärtig sogar noch wichtiger werden. Der Einfluss auf die Preise könnte stärker sein als lokale Nachfragerückgänge oder Schwächen am Arbeitsmarkt, meint Just weiter. Allerdings gelte das aber nicht unbedingt für Omas Häuschen am Strand oder das schon jetzt sehr teure, luxuriöse Dachgeschoss-Appartement. Daher muss man auch nach konkreten Immobilien und Immobilientypten differenzieren. Just hält es für wahrscheinlich, dass einige Objekttypen während der Krise abgestraft werden, und zwar diejenigen, die „vergleichsweise spezifisch und damit illiquide“ seien. Andere wiederum könnten sogar während der gesamten Krise zulegen, am ehesten „unspezifische Standardobjekte oder Objekte in nicht vermehrbaren Lagen“. Ein Anheizungseffekt könnte eintreten, sobald auch größere Investoren und Banken diesen Schluss ziehen.
Doch auch dies sind Prognosen, die schon bald wieder überholt sein könnten. Allerdings ist in den letzten Wochen deutlich sichtbar geworden, dass der Markt nicht mehr im Gleichschritt in eine Richtung geht. Mehrere Analyseunternehmen sind bereits dazu übergegangen, die durchschnittlichen Immobilienpreise wöchentlich und nicht mehr in den bisherigen Rhythmen zu betrachten, um die Krisenauswirkungen besser zu registrieren – wöchentlich ist am Immobilienmarkt ein außerordentliches Tempo. Auch das Analyseunternehmen F+B aus Hamburg geht mittlerweile ebenso vor. F+B erstellt bundesweit Mietspiegel für mehrere hundert Gemeinden und veröffentlicht Preisindizes – normalerweise quartalsweise. Eine genauere Analyse der Zahlen aus den Krisenwochen von Anfang März bis Anfang Mai zeigt eine „frappierende Konstanz“ der Immobilienpreise im bundesweiten Durchschnitt.
Betrachtet man das Ganze auf der Ebene der Bundesländer zeigen sich aber auch deutliche Unterschiede. So kletterten laut F+B die Angebotspreise bei Eigentumswohnungen in Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg seit Krisenbeginn um 7 bis 16 %. In Berlin, Hamburg, Sachsen und Saarland gaben die Preise aber um 6 bis 11 % nach. Im Allgemeinen muss man solche Zahlwerte aber mit Vorsicht genießen, denn gerade im betrachteten Zeitraum waren natürlich vergleichsweise nur wenige Angebote auf dem Markt verfügbar. Demzufolge konnten auch entsprechend weniger Immobilien statistisch ausgewertet werden und es reicht eine geringe Zahl von Immobilien, um die Statistik nach unten oder oben abweichen zu lassen. Laut F+B dauerte diese Zeitspanne im Kern bis zum 11. April. In dieser Phase gab es rund ein Drittel weniger Verkaufsinserate als üblicherweise. Wenn dann in einem Bundesland wie Sachsen-Anhalt nur einige hundert Wohnungen angeboten werden, können einige wenige das allgemeine Preisbild leicht verfälschen. Das erklärt im Großen und Ganzen dort auch den Preissprung von fast 100 %.
Auch das Unternehmen Sprengnetter untersucht den Markt jetzt wöchentlich. Und gegenwärtig zeigt sich jedes Mal, dass die Preise nicht sinken, schon gar nicht in Städten, die jetzt bereits sehr teuer sind. So sind die Kaufpreise für Wohnimmobilien in den zehn großen Städten Berlin, Bremen, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München sowie Stuttgart im Vergleich zum Januar um etwa 5 % angestiegen. Betrachtet man ganz Deutschland liegt die Steigerungsrate seither sogar bei etwa 7 %. Beim Angebotsvolumen ist dagegen eine Abnahme von rund 10 % gegenüber dem Vorkrisenniveau feststellbar. Sprengnetter ist ein auf Immobilienbewertungen spezialisiertes Unternehmen und bewertet Wohnimmobilien für Kreditinstitute. Das verfügbare Datenvolumen lässt durchaus aussagekräftige Analysen zu.
Auf der Kreditplattform Europace werden in Deutschland rund 20 % aller Immobilienfinanzierungen für Privatkunden abgewickelt. Das lässt ebenfalls einen guten Überblick über das Marktgeschehen zu. Es lässt sich anhand der verfügbaren Daten deutlich nachvollziehen, dass Häuser und Wohnungen nach wie vor dringend gesucht werden, so Stefan Kennerknecht, Co-Vorstand von Europace. Die Nachfrage übersteige in Deutschland immer noch das Angebot. Eine eher beruhigende Beobachtung für Eigentümer und Verkäufer.
Aufgrund der beobachtbaren Marktentwicklung haben Wohnungsmarkt-Ökonomen ihre Interpretationen mittlerweile vorsichtig angepasst. Michael Voigtländer, Experte beim IW Köln hält es für wahrscheinlich, „dass Wohnimmobilien relativ stabil durch die Krise kommen“. Vogtländer unterstützt aber auch die These von F+B, wonach sich der Markt regional verschieden entwickeln könnte: „Insbesondere in Süddeutschland zeigen sich strukturelle wirtschaftliche Verschiebungen. Dort ist der Anteil der Autoindustrie an der Bruttowertschöpfung besonders hoch. Das könnte sich noch auf den Arbeitsmarkt, auf Einkommen und dann auch auf die Immobilienpreise auswirken“. Für Günter Vornholz, Immobilienökonom der EBZ Business School in Bochum, hält die Krise noch nicht für überstanden. Er ist der Meinung dass die Anbieter aktuell noch nicht bereit seien, Preisnachlässe zu gewähren. Allerdings könnte sich das ändern, so gut wie jede Woche.
Hannes Rasp Categories: Immobilien zur Kapitalanlage Comments