1341 Immobilienboom Deutschland — trotz Corona

Kurzfri­stig erlebte Wohnei­gentum in Deutsch­land zu Beginn der Corona-Krise einen Dämpfer – nun aber steigen die Preise wieder. Bisher erweisen sich Immobilien als verläss­lich und krisen­fest. Doch die gegen­wär­tige Lage ist nicht völlig stabil und kann sich poten­ziell auch schnell wandeln. Daher sollten Immobi­li­en­ei­gen­tümer und Kaufin­ter­es­senten den Markt und etwaige Bewegungen intensiv im Blick behalten.

Der Crash bleibt aus

Vor gerade mal vier Wochen hat das Markt­for­schungs­in­stitut Empirica für den Immobi­li­en­markt einen drama­ti­schen Preis­ein­bruch vorher­ge­sagt. Dass diese Prognose schon einen Monat später wider­legt ist, ist tatsäch­lich überra­schend. Laut der Prognose sollten die Preise für Häuser und Wohnungen aufgrund der Corona-Krise um 10 bis 25 % sinken. Denn damals – mittler­weile scheint es schon wie vor einer Ewigkeit – war der Markt wie einge­froren. Die Zahl der Verkaufs- und Vermiet­in­se­rate war stark abgeflaut, auch die Preise waren minde­stens um ein paar Prozent­punkte zurückgegangen.

Keine Stagnation – eher geht der Immobilienboom in Deutschland weiter

Gegen­wärtig gibt der Immobi­li­en­markt wieder ein Bild ab, als sei nichts gewesen. Ein Blick auf die Zahlen der einzelnen Bundes­länder zeigt: Die Kaufpreise liegen wieder ziemlich auf Vorkri­sen­ni­veau. Für ganz Deutsch­land liegt der Durch­schnitt sogar gering­fügig über dem Stand von Ende März 2020. Das ist aber nicht alles. Zudem weist einiges darauf hin, dass die Preise in ähnli­chem Tempo ansteigen, wie schon zu Beginn des Jahres. Zu diesem Ergebnis kommen mehrere Markt­un­ter­su­chungen parallel, eine davon kommt vom Analy­se­un­ter­nehmen F+B. Ebenfalls das Markt­ge­schehen insge­samt hat sich demzu­folge belebt, das Angebots­vo­lumen zeigt allent­halben wieder Wachstum. Der bishe­rige Immobi­li­en­boom in Deutsch­land ist also nicht abgesagt, die Zeichen deuten auf einen weiteren Anstieg der Markt­dy­namik und der Preise.

Rückschläge möglich

In Zeiten von Corona – so scheint es jeden­falls – haben so manche Gewiss­heiten nur eine kurze Lebens­dauer. Das gilt für wissen­schaft­liche und politi­sche Aussagen, derzeit aber auch für den Immobi­li­en­markt. Denn anschei­nend haben zahlreiche Verkäufer einfach mal nur ein paar Wochen abgewartet, bis sich „der Nebel etwas gelichtet“ hat und der Markt wieder norma­li­sierte und wieder bessere Preise erzielbar waren. Auf der anderen Seite könnte es natür­lich auch wieder einen Rückschlag gegen. Zum Beispiel dann, wenn sich zeigt, dass der wirtschaft­liche Abschwung mit größerer Wucht auf den Arbeits­markt und die Einkommen durchschlägt.

Prognosen lagen bislang daneben

Ebenfalls vor einigen Wochen schrieb die „Welt am Sonntag“ über einen mögli­chen Preis­ein­bruch. Zwar nicht in dem Umfang wie ihn Empirica vorher­ge­sagt hatte, eher zwischen 0 und 12 % bis Jahres­ende. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bewegt sich mit seiner Schät­zung in diesem Rahmen. Tatsäch­lich ist es auch weiterhin nicht ausge­schlossen, dass es noch so kommt.

Menschen brauchen immer einen Ort zum Wohnen

Tobias Just, Professor für Immobi­li­en­wirt­schaft, Univer­sität Regens­burg, resümiert dazu, dass viele Markt­ak­teure vorerst einfach ihre Meinung dazu geändert hätten. Aktuell stehe vor allem die Stabi­lität des deutschen Wohnungs­marktes als Asset­klasse im Vorder­grund. Auf der Nutzer­seite seien Wohnim­mo­bi­lien in Deutsch­land deutlich weniger betroffen sein als Gewer­be­im­mo­bi­lien. Denn, wohnen muss man immer, dagegen können Läden und Büros schließen. Dennoch sieht Thomas Just Gewer­be­im­mo­bi­lien in Deutsch­land weniger betroffen als in Südeu­ropa, Großbri­tan­nien oder den USA. Und weil das so sei, werde Kapital seinen Weg in die deutschen Immobi­li­en­märkte suchen.

Verschiedene Entwicklungen für verschiedene Immobilientypen

Die Rolle des sicheren Hafens für Anleger von überall auf der Welt könnte gegen­wärtig sogar noch wichtiger werden. Der Einfluss auf die Preise könnte stärker sein als lokale Nachfra­ge­rück­gänge oder Schwä­chen am Arbeits­markt, meint Just weiter. Aller­dings gelte das aber nicht unbedingt für Omas Häuschen am Strand oder das schon jetzt sehr teure, luxuriöse Dachge­schoss-Appar­te­ment. Daher muss man auch nach konkreten Immobilien und Immobi­li­en­typten diffe­ren­zieren. Just hält es für wahrschein­lich, dass einige Objekt­typen während der Krise abgestraft werden, und zwar dieje­nigen, die „vergleichs­weise spezi­fisch und damit illiquide“ seien. Andere wiederum könnten sogar während der gesamten Krise zulegen, am ehesten „unspe­zi­fi­sche Standard­ob­jekte oder Objekte in nicht vermehr­baren Lagen“. Ein Anhei­zungs­ef­fekt könnte eintreten, sobald auch größere Investoren und Banken diesen Schluss ziehen.

Marktanalyse in kurzen Abständen

Doch auch dies sind Prognosen, die schon bald wieder überholt sein könnten. Aller­dings ist in den letzten Wochen deutlich sichtbar geworden, dass der Markt nicht mehr im Gleich­schritt in eine Richtung geht. Mehrere Analy­se­un­ter­nehmen sind bereits dazu überge­gangen, die durch­schnitt­li­chen Immobi­li­en­preise wöchent­lich und nicht mehr in den bishe­rigen Rhythmen zu betrachten, um die Krisen­aus­wir­kungen besser zu registrieren – wöchent­lich ist am Immobi­li­en­markt ein außer­or­dent­li­ches Tempo. Auch das Analy­se­un­ter­nehmen F+B aus Hamburg geht mittler­weile ebenso vor. F+B erstellt bundes­weit Mietspiegel für mehrere hundert Gemeinden und veröf­fent­licht Preis­in­dizes – norma­ler­weise quartals­weise. Eine genauere Analyse der Zahlen aus den Krisen­wo­chen von Anfang März bis Anfang Mai zeigt eine „frappie­rende Konstanz“ der Immobi­li­en­preise im bundes­weiten Durchschnitt.

Unterschiedliche Entwicklungen in Bundesländern

Betrachtet man das Ganze auf der Ebene der Bundes­länder zeigen sich aber auch deutliche Unter­schiede. So kletterten laut F+B die Angebots­preise bei Eigen­tums­woh­nungen in Bayern, Baden-Württem­berg und Branden­burg seit Krisen­be­ginn um 7 bis 16 %. In Berlin, Hamburg, Sachsen und Saarland gaben die Preise aber um 6 bis 11 % nach. Im Allge­meinen muss man solche Zahlwerte aber mit Vorsicht genießen, denn gerade im betrach­teten Zeitraum waren natür­lich vergleichs­weise nur wenige Angebote auf dem Markt verfügbar. Demzu­folge konnten auch entspre­chend weniger Immobilien stati­stisch ausge­wertet werden und es reicht eine geringe Zahl von Immobilien, um die Stati­stik nach unten oder oben abwei­chen zu lassen. Laut F+B dauerte diese Zeitspanne im Kern bis zum 11. April. In dieser Phase gab es rund ein Drittel weniger Verkaufs­in­se­rate als üblicher­weise. Wenn dann in einem Bundes­land wie Sachsen-Anhalt nur einige hundert Wohnungen angeboten werden, können einige wenige das allge­meine Preis­bild leicht verfäl­schen. Das erklärt im Großen und Ganzen dort auch den Preis­sprung von fast 100 %.

Preisanstiege in großen Städten und auf dem ganzen Bundesgebiet

Auch das Unter­nehmen Spreng­netter unter­sucht den Markt jetzt wöchent­lich. Und gegen­wärtig zeigt sich jedes Mal, dass die Preise nicht sinken, schon gar nicht in Städten, die jetzt bereits sehr teuer sind. So sind die Kaufpreise für Wohnim­mo­bi­lien in den zehn großen Städten Berlin, Bremen, Dresden, Düssel­dorf, Frank­furt, Hamburg, Köln, Leipzig, München sowie Stutt­gart im Vergleich zum Januar um etwa 5 % angestiegen. Betrachtet man ganz Deutsch­land liegt die Steige­rungs­rate seither sogar bei etwa 7 %. Beim Angebots­vo­lumen ist dagegen eine Abnahme von rund 10 % gegen­über dem Vorkri­sen­ni­veau feststellbar. Spreng­netter ist ein auf Immobi­li­en­be­wer­tungen spezia­li­siertes Unter­nehmen und bewertet Wohnim­mo­bi­lien für Kredit­in­sti­tute. Das verfüg­bare Daten­vo­lumen lässt durchaus aussa­ge­kräf­tige Analysen zu.

Nachfrage weiter hoch

Auf der Kredit­platt­form Europace werden in Deutsch­land rund 20 % aller Immobi­li­en­fi­nan­zie­rungen für Privat­kunden abgewickelt. Das lässt ebenfalls einen guten Überblick über das Markt­ge­schehen zu. Es lässt sich anhand der verfüg­baren Daten deutlich nachvoll­ziehen, dass Häuser und Wohnungen nach wie vor dringend gesucht werden, so Stefan Kenner­knecht, Co-Vorstand von Europace. Die Nachfrage übersteige in Deutsch­land immer noch das Angebot. Eine eher beruhi­gende Beobach­tung für Eigen­tümer und Verkäufer.

Experten passen Prognosen an

Aufgrund der beobacht­baren Markt­ent­wick­lung haben Wohnungs­markt-Ökonomen ihre Inter­pre­ta­tionen mittler­weile vorsichtig angepasst. Michael Voigt­länder, Experte beim IW Köln hält es für wahrschein­lich, „dass Wohnim­mo­bi­lien relativ stabil durch die Krise kommen“. Vogtländer unter­stützt aber auch die These von F+B, wonach sich der Markt regional verschieden entwickeln könnte: „Insbe­son­dere in Süddeutsch­land zeigen sich struk­tu­relle wirtschaft­liche Verschie­bungen. Dort ist der Anteil der Autoin­du­strie an der Brutto­wert­schöp­fung beson­ders hoch. Das könnte sich noch auf den Arbeits­markt, auf Einkommen und dann auch auf die Immobi­li­en­preise auswirken“. Für Günter Vornholz, Immobi­li­en­ökonom der EBZ Business School in Bochum, hält die Krise noch nicht für überstanden. Er ist der Meinung dass die Anbieter aktuell noch nicht bereit seien, Preis­nach­lässe zu gewähren. Aller­dings könnte sich das ändern, so gut wie jede Woche.

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